Ein heißer Sommer – und ein kalter Wind am Arbeitsmarkt

14.8.2025

Es ist kurz nach neun an einem Dienstagmorgen. Im Postfach von Peter S., 63, blinkt die fünfte Absage dieser Woche. Vor einem Jahr hatte er sich entschieden, nach dem offiziellen Rentenbeginn weiterzuarbeiten – nicht aus finanzieller Not, sondern weil er noch etwas bewegen wollte. „Früher haben die mich angerufen, bevor ich überhaupt nach einem Job gesucht habe“, sagt er. Heute wartet er oft vergeblich.

So wie Peter geht es vielen älteren Bewerbern. Die offizielle Statistik zeigt, dass die Zahl der Arbeitslosen im Juli erneut gestiegen ist. Noch bedrückender aber ist der Blick auf die Jobdaten-Plattform Indeed: Über fast alle Branchen hinweg hat das Stellenangebot in den vergangenen drei Jahren deutlich abgenommen. Selbst die „relativen Gewinner“ – wie Kinderbetreuung, Buchhaltung oder Produktion – verzeichneten Rückgänge von rund 20 bis 30 Prozent. In den schwächsten Bereichen, etwa Personalwesen oder Immobilien, sind die Stellenangebote um mehr als die Hälfte eingebrochen, teils sogar um über 60 Prozent.

Für Bewerberinnen und Bewerber ab 60 bedeutet das: Die Zahl der Türen, die sich öffnen könnten, ist kleiner geworden – und die Konkurrenz vor diesen Türen größer. Besonders hart trifft es jene, die aus Branchen kommen, in denen das Stellenangebot regelrecht ausgedünnt ist. Wer heute einen Job will, braucht mehr als Erfahrung – er braucht eine klare Strategie, um im enger gewordenen Markt sichtbar zu bleiben.

Der Pulsschlag des Arbeitsmarktes – was sich wirklich verändert

Fast drei Millionen Menschen sind in Deutschland derzeit offiziell arbeitslos gemeldet. Das sind 65.000 mehr als noch im Juni – und rund sechs Prozent mehr als vor einem Jahr. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein Arbeitsmarkt, der nicht mehr auf Expansion, sondern auf Vorsicht gestellt ist. Unternehmen zögern, offene Stellen zu melden, und selbst dort, wo noch gesucht wird, ziehen sich die Auswahlprozesse in die Länge.

Die Indeed-Daten unterstreichen diesen Trend: Verglichen mit der Situation vor drei Jahren gibt es heute in vielen Branchen ein Viertel bis die Hälfte weniger Stellenanzeigen. Und dieser Rückgang ist nicht gleichmäßig verteilt. Während Pflege, Erziehung oder bestimmte Handwerksbereiche weniger stark betroffen sind, haben andere Berufsfelder wie Marketing, Personalwesen oder Vertrieb deutlich an Dynamik verloren – mit Rückgängen von über 50 %. 

Die Ursachen für diesen Rückgang sind vielschichtig: Die Inflation hat die Kaufkraft privater Haushalte spürbar gedrückt. Hinzu kommen weiterhin hohe Energiepreise, während die exportorientierte deutsche Industrie unter sinkender Nachfrage – insbesondere aus China –, zunehmender Konkurrenz aus Asien, hohen Produktionskosten und bürokratischen Hürden leidet. Diese Kombination bremst das Wirtschaftswachstum und hemmt Neueinstellungen.

Für ältere Bewerber ist das oft ein doppelter Schlag: Weniger offene Positionen und gleichzeitig ein höherer Wettbewerb mit jüngeren Kandidaten. Ein Hoffnungsschimmer: Teilzeitangebote haben leicht zugenommen. Für manche Ü60 kann das der Türöffner sein – vor allem, wenn körperliche Belastung oder familiäre Verpflichtungen eine Vollzeitstelle unattraktiv machen. Doch für diejenigen, die auf ein volles Gehalt angewiesen sind, wirkt dieser Trend eher wie eine Sackgasse.

Gewinner und Verlierer unter den Branchen

Die gute Nachricht zuerst: Einige Branchen halten den Kurs – und bieten auch Bewerbern ab 60 noch solide Chancen. Ganz vorne liegt das Gesundheits- und Pflegewesen. Hier sind Fachkräfte knapp, und Berufserfahrung zählt oft mehr als jugendlicher Elan. Auch die öffentliche Verwaltung rekrutiert weiterhin, nicht zuletzt wegen der Pensionierungswelle der Babyboomer. Für ältere Bewerber ist das eine seltene Kombination aus Arbeitsplatzsicherheit und klaren Einstiegsmöglichkeiten.

Weniger erfreulich sieht es in weiten Teilen des verarbeitenden Gewerbes aus. Besonders in der Automobilzulieferung und im Maschinenbau haben Auftragsflauten zu Einstellungsstopps geführt. Der Bau kämpft mit hohen Materialkosten und rückläufigen Projekten. Der Handel wiederum leidet unter sinkender Kaufkraft und verschiebt Neueinstellungen oft auf unbestimmte Zeit.

Für ältere Jobsuchende bedeutet das: Wer aus einer schwächelnden Branche kommt, sollte gezielt in Sektoren umsteigen, die noch Personal suchen – selbst wenn das eine berufliche Neuausrichtung erfordert. Branchen wie Pflege, Erziehung, öffentliche Verwaltung und bestimmte Dienstleistungen sind hier die realistischsten Anlaufstellen. Laut Bundesagentur für Arbeit entfallen aktuell fast 40 Prozent aller gemeldeten offenen Stellen auf diese Bereiche – ein Anteil, der in den letzten Jahren sogar leicht gestiegen ist.

Gesuchte Berufe – und wer eine Chance hat

Trotz aller Flaute gibt es sie noch: die Bereiche, in denen Arbeitskräfte dringend gebraucht werden. Ganz vorne stehen Pflege- und Gesundheitsberufe, Erziehung und Sozialarbeit, bestimmte Handwerksfelder sowie IT-Support. In diesen Branchen bleiben Stellen oft länger unbesetzt – und Arbeitgeber sind eher bereit, ältere Bewerber einzustellen, wenn Erfahrung und Zuverlässigkeit stimmen.

Für Ü60 kann das eine Tür sein, auch ohne jahrelange Umschulung. Wer zum Beispiel Organisationstalent mitbringt, kann im Gesundheitswesen nicht nur in der direkten Pflege, sondern auch in der Verwaltung oder Terminplanung punkten. Ebenso suchen Schulen und Kitas nicht nur Erzieher, sondern je nach Bundesland auch Unterstützungskräfte, die im Alltag entlasten. Handwerksbetriebe wiederum nehmen erfahrene Kräfte gerne für Teilprojekte oder auf Stundenbasis ins Boot, wenn Fachkenntnisse vorhanden sind.

Anders sieht es in Berufen aus, die derzeit an Nachfrage verlieren – etwa im klassischen Einzelhandel, in großen Teilen der Logistik oder im Marketing. Hier bewerben sich oft zwei- bis dreimal so viele Menschen wie noch vor ein paar Jahren auf dieselbe Stelle, was die Chancen für ältere Bewerber deutlich schmälert.

In der öffentlichen Debatte ist oft vom Fachkräftemangel die Rede – und tatsächlich gibt es ihn, allerdings vor allem in den größten Engpassberufen. In vielen anderen Bereichen dagegen haben Arbeitgeber aktuell die stärkere Position: Das Überangebot an Bewerbern erlaubt es ihnen, strenger auszuwählen und Anforderungen zu erhöhen - oftmals zu Lasten älterer Bewerber. Kurzfristig befinden wir uns also klar in einem Arbeitgebermarkt. Mittel- bis langfristig jedoch werden die demografischen Trends – allen voran die Verrentung der Babyboomer – dafür sorgen, dass sich das Kräfteverhältnis wieder zugunsten der Arbeitnehmer verschiebt.

Zwischen Hoffen und Bangen – der Ausblick

Einige Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich die Talfahrt am Arbeitsmarkt zumindest verlangsamen könnte. Unternehmen melden wieder etwas mehr Stellen als zu Jahresbeginn, und das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist im Juli auf den neutralen Wert von 100 Punkten gestiegen – ein Zeichen, dass weder eine drastische Verschlechterung noch eine deutliche Verbesserung unmittelbar bevorsteht.

Für Ü60-Bewerber ist das jedoch nur bedingt beruhigend. Selbst wenn die Gesamtlage stabil bleibt, werden sich die Stellen nicht gleichmäßig auf alle Branchen und Altersgruppen verteilen. Engpassberufe wie Pflege oder Handwerk könnten etwas mehr einstellen, während andere Bereiche weiter Personal abbauen oder Einstellungsstopps verhängen.

Hinzu kommt: Viele Arbeitgeber setzen auch in stabileren Zeiten auf „Zukunftsfähigkeit“. Das heißt, dass Bewerberinnen und Bewerber zeigen müssen, dass ihre Fähigkeiten aktuell und anpassungsfähig sind – ein Punkt, an dem viele Ältere ohne gezielte Weiterbildung scheitern.

Jetzt wird’s persönlich: Was diese Zahlen für Sie bedeuten

Zahlen wirken oft abstrakt – bis man sie auf das eigene Leben überträgt. Für einen 35-Jährigen bedeutet ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um zwei Prozent vielleicht nur, dass er ein paar Bewerbungen mehr schreiben muss. Für einen 62-Jährigen kann dieselbe Entwicklung den Unterschied zwischen einem schnellen Wiedereinstieg und einer monatelangen, frustrierenden Jobsuche bedeuten.

Das liegt nicht nur an Vorurteilen, sondern auch an der Logik vieler Personalabteilungen: In unsicheren Zeiten suchen Unternehmen oft nach „langfristigen Investitionen“ – und assoziieren diese fälschlicherweise mit jüngeren Bewerbern. Hinzu kommt, dass viele Stellen heute digitale Kompetenzen voraussetzen, die nicht jeder automatisch mitbringt. Wer hier Lücken hat, landet trotz jahrzehntelanger Erfahrung schnell auf dem Absagestapel.

Die Folge: Mehr ältere Arbeitssuchende bewerben sich vergeblich, Frust und Resignation ziehen ein. Wer dem entgegenwirken will, muss nicht nur Bewerbungen schreiben, sondern sich strategisch positionieren: Die eigenen Stärken klar kommunizieren, Branchen mit realen Chancen ins Visier nehmen und dort auftreten, wo Arbeitgeber gezielt nach Erfahrung suchen. Darüber hinaus sollte man derzeit idealerweise seine Wünsche an die Anforderungen des Arbeitsmarkts anpassen. Ein Beispiel hierfür sind Teilzeitjobs in geringem Umfang: Viele Ältere wollen nicht mehr als 10 Stunden pro Woche arbeiten, jedoch suchen viele Unternehmen erst ab 15 oder 20 Wochenstunden, da sich eine Einarbeitung unter diesem Niveau für sie oftmals nicht lohnt. Wer sich hier flexibel zeigt, kann seine Chancen deutlich verbessern.

Und jetzt? Chancen aktiv gestalten

Wer in diesem Markt bestehen will, braucht mehr als Geduld. sich zurückzulehnen und auf „die passende Stelle“ zu warten, ist riskant – besonders für Bewerberinnen und Bewerber über 60. Die erfolgreichsten Kandidaten in dieser Altersgruppe eint, dass sie selbst die Initiative ergreifen.

Das beginnt mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Welche Fähigkeiten sind noch gefragt? Wo gibt es Lücken, die sich schließen lassen? Manchmal reicht schon ein gezieltes Update in einem bestehenden Kompetenzfeld – etwa ein Kurs zu aktueller Bürosoftware, Einführung in die künstliche Intelligenz (KI) oder auch ein Kommunikationstraining  –, um aus einem „vielleicht“ ein „Ja“ zu machen. In anderen Fällen kann es sinnvoll sein, sich in einen Engpassbereich hineinzuqualifizieren, selbst wenn dieser auf den ersten Blick fachfremd wirkt. 

Praktische Beispiele zeigen, wie das funktionieren kann: Ein ehemaliger Vertriebsleiter fand über eine Weiterbildung im digitalen Kundenservice innerhalb weniger Monate eine Teilzeitstelle in einem mittelständischen Unternehmen. Eine frühere Bürokauffrau stieg nach einem Onlinekurs in Dokumentenmanagement-Systemen in die Verwaltung einer Klinik ein.

Gezielte Weiterbildungen helfen Ü60-Bewerbern, ihre Kenntnisse auf den aktuellen Stand zu bringen und so Vorbehalte von Arbeitgebern abzubauen. Wer neue digitale Tools, branchenspezifische Verfahren oder aktuelle gesetzliche Regelungen beherrscht, signalisiert Anpassungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Lebenslanges Lernen stärkt zudem das Selbstvertrauen, hält geistig fit und erweitert soziale Kontakte – Faktoren, die nicht nur die Jobchancen verbessern, sondern auch die Lebensqualität insgesamt steigern.

Die Botschaft ist klar: Man ist nie zu alt, um Neues zu lernen – jede neue Fähigkeit ist ein Türöffner zu Möglichkeiten, die gestern vielleicht noch unerreichbar schienen. Weiterbildung ist zudem ein strategisches Werkzeug, um die Chancen zu erhöhen. Sie signalisiert Arbeitgebern, dass man nicht nur Erfahrung mitbringt, sondern auch die Bereitschaft, sich auf neue Anforderungen einzustellen. Genau diese Haltung kann den entscheidenden Unterschied machen. 

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